
Noch einmal zurück ins Café Belga, wo ich Sonntags um 16:25 Uhr endlich Bölls "Ansichten eines Clowns" fertiggelesen habe. Mich überkommt ja immer ein grenzenlos peinliches Gefühl der Kulturlosigkeit, wenn ich klassische Schulliteratur erst im fortgeschrittenen Twen-Alter entdecke. Da entstehen dann rührende Situationen wie jene Mitte letzter Woche, als ich mit der wunderschönen Th. in einer Trattoria nahe des Rond Point Schuman Pasta aß und ihr völlig begeistert von den "Ansichten" erzählte. Sie lächelte zuckersüss und meinte, ja, es sei wirklich ein gutes Buch, sie habe es mit siebzehn auf Deutsch gelesen. Siebzehn! Auf Deutsch! Die Frau ist Griechin...
Wie auch immer, wer seine Kindheit und Jugend in katholischen Bildungseinrichtungen verbracht hat, ist Böll für das Ausleuchten diverser blinder Flecken im Menschenbild der sancta et una ecclesia catholica besonders dankbar.
werft - am Montag, 31. März 2003, 15:13 - Rubrik: Babylonisches Bruessel

Sollte ich an dieser Stelle meinem Entzücken über das wunderbare Flagey noch nicht Ausdruck verliehen haben, so muss das spätestens jetzt geschehen. Und zwar nicht nur, weil das Belga Café (direkt unter dem alten Sendeturm) der beste Platz in Brüssel ist, um einen sonnigen Sonntag zu verbringen - vom Bois de la Cambre einmal abgesehen.
Sondern weil das Flagey einer jenen raren Orte ist, wo sich die sogenannte "Hochkultur" auf entspannte Art und ohne Alpdrücken auf den durchschnittlichen Bildungsbanausen niederlässt. Ein Ort wie das Radiokulturhaus oder das Kulturhuset in Stockholm.
Sonntag also im Café Belga verbracht. Nicht den gesamten Sonntag, um genau zu sein, denn am Morgen zeigten sie im Flagey "The General" von und mit Buster Keaton sowie Livebegleitung am Klavier. Selten so etwas Lustiges gesehen, und das Interessante an der Situation war, dass die dutzenden Kinder, die sich den Film mit ihren Eltern anschauten, eine Riesenfreude hatten. Hetz ohne Spezialeffekte, nur eines traurigen Pierrots wegen - wenn das die von Time Warner/AOL erfahren, kommt Keaton noch nachträglich auf den McCarthy-Index, so wie Charles Chaplin wegen seiner Rede am Ende von "The Great Dictator"...
werft - am Montag, 31. März 2003, 14:50 - Rubrik: Babylonisches Bruessel