Babylonisches Bruessel
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It`s just a rumour that was spread around town...

 

Babylonisches Bruessel

Dramolett in einem Akt.
Ort und Zeit: Party in D.s Wohngemeinschaft, Samstag, 1:13 a.m.
Personen: ich (W), ein Österreicher (Ö), dessen Namen mir zu merken ich keine Veranlassung sah.

Ö: ...ja, es sind eh auch etliche Österreicher auf der Party da.
W (erfolglos freudige Erregung vortäuschend): Mhm.
Ö: Ja, da hinten zwei, auf der Couch einer.
W (das Vortäuschen aufgebend und offene Gleichgültigkeit zeigend): Aha.
(beiderseitig betroffenes Schweigen)
Ö: Und, was hast für Pläne für nach dem Stage?
W: Naja, nach dem Wehrdienst hier in Brüssel einen Job finden. Spannendes Umfeld und so. Wenn das nicht klappt, im Aussenamt oder Umweltministerium. Da gibt es viel Interessantes zu tun.
Ö: Aha. Bist beim CV?
W (leicht erheitert, aber Unheil witternd): Nope.
Ö: (schweigt betroffen, leichtes Mitleid legt sich in seinen Blick)
W (zu den Klängen des "Ketchup Songs" zu Aurélie und Pelin in die Küche der Wohnung flüchtend): Sorry, äh, ich hab da irgendwo meinen Martini stehen lassen.

Seit heute, 20:27, kann ich jedem, der mich nach einem probaten Mittel gegen Liebenskummer fragt, aus persönlicher Erfahrung und tiefer Überzeugung folgendes nahelegen: ARBEIT.
Um 17:02 hatte ich nach dem Erhalt IHRER Nachricht und den darin enthaltenen schmerzhaften Wahrheiten noch das Gefühl, im vollen Lauf gegen eine Wand zu knallen (die ich seit Tagen kommen sah).
Um 18:05 waren meine engelsgeduldigen Bürokolleginnen meiner Larmoyanz überdrüssig und verliessen Charlemagne Richtung copin, week-end und Jardins royaux (die nur mehr an diesem Wochenende zugänglich sind).
Um 19:02 erschien eine willkürliche Alkoholvergiftung samt Löschen der Festplatte als vernünftiger Weg, mir Luft zu verschaffen.
Um 19:03 kratzte ich mir eine Träne aus dem Knopfloch und machte mich an die ungeheuer aufregende Aufgabe, die inhaltliche Konsistenz eines Amendments zur Commission Regulation über den Transport von gefährlichem Abfall zu prüfen.
Um 20:07 war ich damit fertig und hatte zudem die Erkenntnis gewonnen, dass dieses wahnsinnige Gesetz tatsächlich eine Unterscheidung zwischen waste of pigs` bristles and hair und horsehair waste macht.
Um 20:27 schliesslich bekam ich eine Mail von Nellie an Gareth in Genf, die sich für meine Hilfe bedankte und meinte, ohne diese sässe sie noch Samstag abends an den Listen.

Trotzdem, das mit der Liebe habe ich noch nicht durchschaut. Der Herr Cocker, Jarvis hat schon recht:
It doesn`t fit my plans
It`s not convenient
It doesn`t make no sense
But I`ve got that taste in my mouth again.

Acropolis
Am ersten Tag seit Wochen, der mit Günter Verheugen statt Donald Rumsfeldt im ZDF beginnt und mit den unterzeichneten EU-Beitrittserklärungen acht ehemaliger Teile des "Empire of Evil" enden wird*, spare ich mir jeden Anflug ohnehin nur verkrampften Sarkasmus`.

Dem Anlass und den äusseren Temperaturen entsprechend habe ich endlich den sandfarbenen Sommeranzug und eine Krawatte in derselben ocker-goldenen Tönung angelegt. Blöd nur, dass der Spitz ebendieses Schlipses seit einem Kantinenmissgeschick während eines Ferialpraktikums vor zwei Jahren fritattensuppengebeizt und folgerichtig nicht mehr als makellos zu bezeichnen ist.

Was soll`s. Vom Europa der 15, geschweige dem der 25 behauptet das ja auch niemand.


*Nein, ich habe Süd-Zypern und Malta nicht vergessen.

071202
Öffentliche Tanzveranstaltungen, an denen "Blue Monday" von New Order genau in dem Moment gespielt wird, wenn man seinem Freund gegenüber das dringende Bedürfnis nach diesem Lied äussert, muss man bedingungslos weiterempfehlen. V.a. dann, wenn sie in Bahnhöfen stattfinden und designtechnisch so locker daherkommen wie zum Bleistift die Next Parties.

Wäre ich allerdings in Wien, ich zupfte mir die Augenbrauen für diesen neuen Spass.

clown
Noch einmal zurück ins Café Belga, wo ich Sonntags um 16:25 Uhr endlich Bölls "Ansichten eines Clowns" fertiggelesen habe. Mich überkommt ja immer ein grenzenlos peinliches Gefühl der Kulturlosigkeit, wenn ich klassische Schulliteratur erst im fortgeschrittenen Twen-Alter entdecke. Da entstehen dann rührende Situationen wie jene Mitte letzter Woche, als ich mit der wunderschönen Th. in einer Trattoria nahe des Rond Point Schuman Pasta aß und ihr völlig begeistert von den "Ansichten" erzählte. Sie lächelte zuckersüss und meinte, ja, es sei wirklich ein gutes Buch, sie habe es mit siebzehn auf Deutsch gelesen. Siebzehn! Auf Deutsch! Die Frau ist Griechin...

Wie auch immer, wer seine Kindheit und Jugend in katholischen Bildungseinrichtungen verbracht hat, ist Böll für das Ausleuchten diverser blinder Flecken im Menschenbild der sancta et una ecclesia catholica besonders dankbar.

bk-general
Sollte ich an dieser Stelle meinem Entzücken über das wunderbare Flagey noch nicht Ausdruck verliehen haben, so muss das spätestens jetzt geschehen. Und zwar nicht nur, weil das Belga Café (direkt unter dem alten Sendeturm) der beste Platz in Brüssel ist, um einen sonnigen Sonntag zu verbringen - vom Bois de la Cambre einmal abgesehen.

Sondern weil das Flagey einer jenen raren Orte ist, wo sich die sogenannte "Hochkultur" auf entspannte Art und ohne Alpdrücken auf den durchschnittlichen Bildungsbanausen niederlässt. Ein Ort wie das Radiokulturhaus oder das Kulturhuset in Stockholm.

Sonntag also im Café Belga verbracht. Nicht den gesamten Sonntag, um genau zu sein, denn am Morgen zeigten sie im Flagey "The General" von und mit Buster Keaton sowie Livebegleitung am Klavier. Selten so etwas Lustiges gesehen, und das Interessante an der Situation war, dass die dutzenden Kinder, die sich den Film mit ihren Eltern anschauten, eine Riesenfreude hatten. Hetz ohne Spezialeffekte, nur eines traurigen Pierrots wegen - wenn das die von Time Warner/AOL erfahren, kommt Keaton noch nachträglich auf den McCarthy-Index, so wie Charles Chaplin wegen seiner Rede am Ende von "The Great Dictator"...

peacerel
"War is not the answer", schallte es mir letzten Samstag am Rande der sogenannten "Anti-Kriegsdemo" in Brüssel entgegen. Die das behaupteten, felsenfest auf ihrer moralischen Lauterkeit thronend, trugen Schirmkäppchen mit dem Aufdruck "Not in my name". Diese sahen wie Scheuklappen aus.

Wie löst man den Widerspruch zwischen der Abneigung gegen einen Grossteil des Kabinetts Bush jr., einer ebensolchen des "Friedensengels" Chirac und einer unbedingten Unterstützung der friedlichen Konfliktlösung auf? Was soll man glauben, wenn man als Österreicher ohne eine militärische Intervention der USA und Grossbritanniens wahrscheinlich nicht auf die Welt und sicher nicht nach Brüssel gekommen wäre?

Und was soll man machen, wenn man das
liest, und dann das? Heulen vor Wut?

fischer_joschka_
Einer der vielen tollen Aspekte der Arbeit im Charlemagne-Gebäude der Kommission ist die nette kleine Café-Ecke im 13.Stock. Dort kann man sich nicht nur Schokoriegel naschend für neuausgerufene Obsttage belohnen. Vielmehr sind auf einem Regal alle nur erdenklichen Tages- und Wochenzeitungen versammelt, die man ab und an lesen sollte, sich jedoch nicht leisten kann/will.

Und so sei Ihnen das Interview mit Joschka Fischer im Feuilleton der heutigen FAZ nahegelegt. Ich erbleiche an meinem Arbeitsplatz vor Scham angesichts der Provinzialität österreichischer "PolitikerInnen". Ich würde im Ausland auch gerne durch einen Menschen vertreten, der zur Differenzierung zwischen Falken und Tauben in der US-Aussenpolitik fähig ist, dümmliche Personalisierungen à la "Wie mein lieber Freund Tony sagte..." im politischen Diskurs vermeidet und von einer "Weltinnenpolitik" träumt.

So ein Mensch sollte uns im Ausland vertreten. Und kein personifiziertes Noisette-Praliné in Stanniolverpackung.

1) Sich mit Korrespondenten der Irish Times betrinken. Egal, wie stark Du Dich fühlst: Er verträgt in jedem Fall mehr.

2) Den Erwerb einer Monatskarte für das Brüsseler ÖNV-Netz vor sich her schieben. Das Resultat ist entweder ein schlechtes Gewissen auf dem Weg von und zur Arbeit oder horrende Kosten für Einzelfahrscheine.

3) Den Regenschirm zu Hause lassen.

4) In Stilettos zur Arbeit stöckeln. Kleinkriminelle Jugendbanden auf der Suche nach laufschwachen Diebstahlsopfern warten nur auf so etwas.

5) Das "Chez maman" bereits vor 0:00 Uhr verlassen. Diesfalls verpasst man maman, und die hat es wahrlich in sich.

6) Smalltalk mit AbsolventInnen britischer Elitecolleges über Internationale Beziehungen führen wollen. Detto mit anciens élèves der ENA. Egal, wie oft Du in die NZZ oder den Nouvel Obs geschnuppert hast - die Jungs und Mädels kennen auch das Kleingedruckte. Sehr frustrierend, wenn man glaubt, die Weisheit zumindest mit Teelöffeln genascht zu haben.

7) Keinen Smalltalk mit AbsolventInnen britischer Elitecolleges über Internationale Beziehungen führen wollen. Detto mit anciens élèves der ENA. Egal, wie oft Du in die NZZ oder den Nouvel Obs geschnuppert hast - die Jungs und Mädels kennen auch das Kleingedruckte. Und das ist nicht nur wahnsinnig interessant. Es bestärkt auch die Hoffnung, dass eine offenere und gebildetere Klasse von Funktionären Europas Bühnen betritt.

Wenn du in Brüssel als Bub auf die Welt kommst, ist es nicht unwahrscheinlich, dass du Mohamed benamst wirst. Zumindest war das 2001 der häufigste Bubenname. Für Mädchen war Laura Nr.1. Wäre ich eines, gefiele mir von den Verfolgerinnen Imane am besten.

vlaamsblok

Die Sympathieträger auf dem Photo freuen sich gerade mächtig über einen gewonnenen Rechtsstreit. Zeugten sie Kinder und liessen sie diese gebären, sie nannten sie wohl anders. Ulf vielleicht. Oder Friedmunda.

 

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