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It`s just a rumour that was spread around town...

 

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Kaum macht man sich ungefragt wichtig, tun sich einem die ungewöhnlichsten Zufälle auf.

"Get Ready" von New Order ist ein super Album, kaufen Sie es sofort bzw. bei Ladenöffnung morgen morgen. Dass das Mädchen mit den kaputten Jeanshosen auf dem Cover aber Nicolette Krebitz ist, hab ich erst erfahren, weil ich nach Infos über ihren Film Jeans suchte.

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Eine Reise mit den ÖBB zum steirischen Hauptalpenkamm dauert im Jahr 2003 einen halben Tag. Spätestens beim nostalgischen Ruckeln an den Flanken des Semmering beginnt Unglaube an der lückenlosen infrastrukturellen Erschliessung des fünfzehntentwickelten Landes der Welt zu keimen.

Da lohnt es, den zunehmenden Zweifeln Walter Fabers am rationalen Weltbild der Moderne beim Wachsen zuzusehen, also Max Frisch} "Homo faber" endlich zu lesen. Jedenfalls die erste Station des "Berichts" ist wunderbar (dann wird es für meinen Geschmack zu esoterisch-gefühlsduselig).

Wenn Ihnen das Lesen eines ganzen Buches zu anstrengend ist, dann können Sie sich auch Volker Schlöndorffs Film aus 1990 anschauen. Fehlt Ihnen auch dafür die Zeit, dann finden Sie hier den Sequenzplan des Films.

Stellen Sie sich bitte kurz vor, Sie wären Darsteller eines kanadischen Films über typische Österreicher in Toronto. Sie ernährten sich morgens von Apfelstrudel, mittags von Geselchtem mit wässrigem Erdäpfelpurée und abends von saurer Wurst. Ausnahmslos.

Mit ihren Verwandten unterhielten Sie sich in brüchigem Englisch, obwohl doch Ihre Muttersprache österreichisches Deutsch wäre. Trotz mangelhafter Englischkenntnisse verwendeten Sie zweifelhafte Metaphern wie "My mother always seemed to me like an ephemeral butterfly of tenderly silky texture".

Je bedeutsamer Ihre Unterhaltungen wären, desto mehr weissen Gespritzten oder Bier würden Sie dabei konsumieren. Sie würden dadurch aber weder ausfallend noch larmoyant. Und gewalttätig schon gar nicht. Nur philosophierend-tiefsinnig.

Der kanadische Film wäre um Gesellschaftskritik und Zeitgenauigkeit bemüht. Sie und Ihre filmischen Familienangehörigen sähen folglich ständig Fernsehberichte aus Österreich, deren Themenauswahl in Berichten über die Regierungsbildung 2000, gewaltsame Strassendemos und brennende Asylantenheime ihre Grenzen fände.

Verstört Sie dieses Kopfkino? Gut. Dann können Sie nachempfinden, wie es mir gestern abend beim Pre-Screening des Films "Hurensohn" im Wiener Votivkino erging. Die anfängliche Freude über das Wiedererkennen jener ländlichen Gegend Ostslawoniens, aus welcher meine Familie väterlicherseits stammt, wich bald einem Ärger über die Aneinanderreihung banalster Stereotypen über Menschen aus Südosteuropa.

Da gab es den ständig Sliwowitz saufenden und weise Ratschläge erteilenden Onkel, die kreuzkatholische Tante, die Cevapcici in der Pfanne verbrannte (meine Grosstante in Osijek hätte sich eher beide Hände abhacken lassen, als uns SO etwas zu kredenzen). Und die sich im Geheimen prostituierende Mutter, deren "kroatischer" Akzent mich an diese spanische Programmansagerin auf VIVA erinnerte.

Ausländer in Österreich sprechen untereinander nicht in gestelzten hochdeutschen Sätzen. Sie verwenden dabei auch nicht das Imperfekt: Das mag in Deutschland anders sein, aber dort ist jenes auch Teil der Umgangssprache. Sie unterhalten sich, wenn sie nicht gut Deutsch sprechen, eben auf Rumänisch, Türkisch, Kroatisch oder Serbisch - in ihrer Muttersprache. Sind ihre Deutschkenntnisse besser, weil sie hier geboren oder zumindest zur Schule gegangen sind, dann verwenden sie es auch untereinander.

Ich hatte gestern im Kino das Gefühl, Regisseur Michael Sturminger sei auf eine sprachlich unzulängliche Romanvorlage von Gabriel Loidolt angewiesen gewesen. Ein subjektiver Eindruck, wohlgemerkt, denn ich habe das Buch "Hurensohn" nicht gelesen.

Wenn eine fremder Sprache für einen Film dramaturgisch bedeutsam ist, dann soll man sie auch tatsächlich hören (mit Untertiteln). Wenn ein bestimmter Akzent als stilistisches Mittel eingesetzt wird, dann muss dieser auch glaubwürdig wirken. Der Regisseur muss also seinen Darstellern einen Sprachtrainer zur Seite stellen. Vor allem, wenn er der Muttersprache der Charaktere nicht mächtig ist. Denn von dieser hängt ja ab, wie sich der Akzent anhört.

Das geringste Übel einer schlechten filmischen Umsetzung von Mehrsprachigkeit ist mangelnde Authentizität. Schlimmer finde ich, dass durch die einfallslose Bemühung abgelutschter Vorurteile die dargestellten Ausländer infantilisiert werden. Das kann auch durch die prinzipiell gute Absicht geschehen, sie in allen Lebenssituationen Hochdeutsch sprechen zu lassen. Das entspricht nicht der Wirklichkeit und lässt die Immigranten erst recht als fade Sprechpuppen erscheinen: Onkel Ante weist Tante Lilijana wegen ihrer Gottesfurcht sicher nicht mit Sätzen aus dem Schmalspurliteratenbaukasten zurecht. So etwas tut nicht einmal der grosse Ivica Osim im "echten" Leben mit primitiven ORF-Sportreportern.

Ich unterstelle Autor und Regisseur von "Hurensohn" guten Willen. Der Film ist solide produziert und gewinnt ab der Mitte an Qualität, weil die Ethnizität der Darsteller als bestimmender Faktor der Handlung hinter ihre Persönlichkeiten zurücktritt. Schade nur, dass die Darstellung von Ausländern im österreichischen Film so oft auf der tranigen Ölspur einfallsloser "Jugoklischees" ausgleitet.

Link:
http://www.filmstills.at/in_produktion/in_produktion_hurensohn1.htm

 

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